Ein Jahr Lagarde

Vor gerade einmal einem Jahr wechselte die Führung der Europäischen Zentralbank vom Italiener Mario Draghi auf die Französin Christine Lagarde.

Wir fassten unsere Erwartungen, besser: Befürchtungen, im Herbst-Mitgliederbrief 19 in folgenden Punkten zusammen:

  1. Die Nullzinspolitik ihres Vorgängers Draghi wird weiter verfolgt.
  2. Das Billionen Euro schwere Kaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen wird fortgesetzt.
  3. Die durch aufsichtsrechtliche Regulatorik verursachten Kosten steigen für die Banken immer weiter.

Leider hat die Realität unsere Befürchtungen inzwischen weit überholt. So kennt insbesondere das Ankaufprogramm (Punkt 2.) nun kaum noch Grenzen.

Zur Reduzierung des wirtschaftlichen Schadens durch Corona hat die EZB das Programm „PEPP“ aufgelegt. Dabei handelt es sich um ein – weiteres - Ankaufprogramm von Staats- und Unternehmensanleihen, insbesondere von bonitätsschwachen Ländern wie Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich. Alleine das Volumen in Höhe von zusätzlichen 1.350 Mrd. Euro ist schwindelerregend.

Diese Summe stellt weitere Schulden von Staaten und großen Unternehmen gegenüber der EZB dar, die irgendwann zurückzuzahlen sind. Doch Unheil droht bereits viel früher.

Das Kaufprogramm läuft spätestens im Juni 2021 aus. Wenn die EZB dann als Großinvestor und damit ihre Nachfrage ausfällt, werden die Zinsen der bonitätsschwachen Länder steigen. Darüber hinaus steigen durch die Corona-Krise die Staatsschulden massiv. Konnten diese Länder schon in der Vergangenheit ihre Schuldenlast kaum tragen, wird dies für die kommenden Jahre noch unwahrscheinlicher. Die Bonität wird weiter sinken, die Gefahr einer weiteren Staatsschuldenkrise, mit der Gefahr von Staatsbankrotten oder dem Auseinanderbrechen des Euro-Raumes, wird ein Stück realer.

Die einzige Chance, diesem Teufelskreis zu entrinnen, wäre, endlich tiefgreifende Reformen in den Problemländern durchzuführen.

Doch dafür gibt es kaum Anzeichen.

Eher wird sich die EZB weitere Stützungsmaßnahmen erdenken.