Wer will da schon widersprechen. Politiker jeglicher Prägung und Aktivisten aller Art wissen solche Sätze daher ganz besonders zu schätzen. Sie kosten nichts, klingen gut und kaum einer kann sich später daran erinnern, dass man das wirklich gesagt hat...
„Gemeinnutz geht vor Eigennutz.“ Dennoch sollte sich selbst unsere postmoderne Gesellschaft darüber im Klaren sein, dass jeder einzelne von uns auf den guten Willen seiner Mitmenschen angewiesen ist. Von der Wiege bis zur Bahre. Ganz gleich, welchen überragenden Stellenwert das Individuum ansonsten bei uns besitzt...
„Gemeinnutz geht vor Eigennutz?“ Leider zumeist nur dann, wenn dieser fragwürdige Gemeinnutz mit den ganz persönlichen Interessen weitgehend übereinstimmt. Falls nicht, sieht die Sache schnell anders aus...
Regelmäßig komme ich an einem großen Plakat einer niedersächsischen Bürgerinitiative vorbei. Zuerst wehrten sich unsere besorgten Mitbürger gegen Kern- und Kohlekraft. Alles Teufelszeug! Nach der Energiewende rückte die Stromtrasse von Nord nach Süd in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Niemals! Jetzt sind es genau jene Windräder, die den einst so herbeigesehnten Ökostrom produzieren sollen, ihren Zorn erregen: Nicht mit uns und vor allem nicht vor unserer Haustüre! Spätestens beim Schlagschatten endet die Solidarität. Wenn es nicht so traurig wäre, es wäre direkt zum Lachen.
Seien wir ehrlich. Wer das Gemeininteresse besonders lauthals betont, will oft nur sein tatsächliches Eigeninteresse diskret verschleiern. Traurig aber wahr.
Vor diesem Hintergrund wundert es wenig, dass die Windräder in Deutschland beinahe so ungleich verteilt sind wie die großen Unternehmen der Republik. Nur andersherum.
Zusammengerechnet verfügen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über eine Fläche von rund 100.000 Quadratkilometer. Die übrigen Flächenländer kommen zusammen auf rund 250.000 Quadratkilometer. Sprich ein Verhältnis von ca. 1 : 2,5. Während im Osten mehr als 10.000 Windräder stehen, sind es im Westen etwa 18.000. Sprich ein Verhältnis von ca. 1 : 1,8.
Noch augenfälliger wird das Ungleichgewicht, wenn man Niedersachsen mit seinen knapp 50.000 Quadratkilometern und mehr als 6.000 Windrädern aus der Rechnung ausklammert.
Auf den 100.000 Quadratkilometer von der Ostsee bis zum Thüringer Wald stehen über 10.000 „Schlagschattenwerfer“, also 1 auf 10 Quadratkilometern. Auf den übrigen 200.000 Quadratkilometern keine 12.000, also 1 auf 17 Quadratkilometern.
Sicherlich gibt es Regionen, die weit besser für die Produktion von Windenergie geeignet sind als andere. Dennoch kann ich mich nicht des Gefühls erwehren, dass hier mehr im Spiel ist als Wind und Wetter allein. Nachtigall, ick hör‘ dir trapsen.
Dieser gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Egoismus birgt immense Gefahren für uns alle in sich. Je stärker Partikularinteressen in den Mittelpunkt rücken, desto mehr lähmen sie das große Ganze.
Dies gilt nicht nur für das Thema Umweltschutz. Nachhaltige Lösungen, die funktionieren und finanzierbar sind, brauchen eine breite Unterstützung.
„Sag mir, wo du stehst.“ 1967 kam in der DDR ein Lied heraus, das den menschlichen Hang zur Rosinenpickerei thematisierte. Gehört wurde es seinerzeit sicher nicht allein von linientreuen FDJ-Blauhemden und ebensolchen SED-Mitgliedern. Heutzutage hingegen lebt es sich, Internet sei Dank, ganz wunderbar mit Gleichgesinnten in der eigenen kuscheligen Meinungsblase. Schuld haben grundsätzlich die anderen.
Der Preis, den wir eines Tages für den Verlust unserer Fähigkeit zur konstruktiven Auseinandersetzung und zum ausgleichenden Kompromiss bezahlen werden, dürfte größer ausfallen, als uns (und insbesondere unseren Nachkommen) lieb sein kann.
Deutschland - sprich unser aller Gemeinwesen - gerät im internationalen Vergleich immer deutlicher ins Hintertreffen. Nicht zuletzt, weil wir uns selber gegenseitig lähmen. Stillstand überall. Statt Innovation und Offenheit regieren hier Fortschrittsfeindlichkeit und Engstirnigkeit. Zum Schaden ALLER!
„Gemeinnutz geht vor Eigennutz!“ Wir von der VR-Bank glauben an unser genossenschaftliches Erbe. Das hat sich seit bald 175 Jahren bewährt. Jetzt ist es an der Zeit, es wieder gemeinsam mit Leben zu füllen.
So sieht es unser Mitglied Herr O. Wagner.