Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank

Im kommenden November folgt die Französin Christine Lagarde dem Italiener Mario Draghi auf den Chefsessel der EZB.

Hat die Besetzung dieser Position überhaupt Auswirkungen auf die Entwicklung der Genossenschaftsbanken und unser Haus?

Nun, dazu muss man etwas ausholen. Deutschland stimmte vor knapp 30 Jahren der europäischen Währungsunion und dem Euro zu, weil in das Statut der EZB die Geldwertstabilität als vorrangig zu verfolgendes Ziel aufgenommen wurde. Die Hauptaufgabe der EZB und der früheren Bundesbank sind also identisch. Wirtschaftspolitik, wie Maßnahmen der Konjunkturpolitik, sollten grundsätzlich nur nachrangig erlaubt sein. Der Euro sollte so die Erfolgsgeschichte der Deutschen Mark fortschreiben.

Doch wie entwickelte sich die Europäische Zentralbank tatsächlich und welchen Weg geht sie nun weiter?

Schon Draghi war ein Sündenfall. Er ließ seit seiner Ernennung 2011 keinen Zweifel daran, dass ihm die Vorgaben des EZB-Statuts zu eng waren. Er erhöhte massiv den Einfluss der Politik auf die EZB und hebelte damit deren gesetzlich festgeschriebene Unabhängigkeit aus. Lagarde zeigte schon in der Vergangenheit durch zahlreiche Äußerungen, dass sie währungspolitisch auf der Linie von Draghi liegt.

Damit ist zu erwarten, dass Lagarde die Politik ihres Vorgängers insbesondere in folgenden - für die Genossenschaftsbanken und ihren Mitgliedern schmerzhaften - Punkten fortsetzt:

1. Weiterhin Verfolgen einer Nullzinspolitik. Damit soll es reformunwilligen und überschuldeten Staaten wie Italien und Frankreich ermöglicht werden, auch weiterhin neue Schulden aufzunehmen, ohne zahlungsunfähig zu werden. Den Hauptschaden tragen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, deren wesentliche Einnahmequelle der Zinsertrag ist, sowie die privaten Sparer. Durch die Politik der immer niedrigeren Zinsen entgingen dem deutschen Sparer seit 2009 bereits 358 Milliarden Euro!

2. Durch das billionenschwere Anleihekaufprogramm von Staats- und Unternehmensanleihen ist die EZB zur größten Gläubigerin der Euro-Staaten und vieler Konzerne geworden. Die EZB ist nun bezüglich wirtschaftlicher Abschwünge extrem anfällig. Denn Rezessionen führen zu schlechteren Bonitäten der gekauften Papiere und damit zu Kursverlusten. Für diese möglichen Verluste haften die Euro-Staaten, allen voran Deutschland. Diese kaum zu kalkulierenden Risiken stellen eine Gefahr für den Bestand unseres Finanzsystems und damit auch der Zukunft der Genossenschaftsbanken dar.

3. Die Finanzkrise 2008, die fast zum weltweiten Zusammenbruch der Finanzwirtschaft führte, wurde durch global tätige Großbanken - nicht durch Genossenschaftsbanken - verursacht. Um einen Kollaps für die Zukunft auszuschließen, wurde die Aufsicht über die gesamte Bankenbranche seither immer engmaschiger ausgebaut. Auf die Größe und das

Gefährdungspotential der einzelnen Bank wurde zu wenig Rücksicht genommen. Kleine

Banken tätigen keinerlei Geschäfte, die zu einer Gefahr für die Finanzbranche werden könnten.

Dennoch müssen sie annähernd die gleichen aufsichtsrechtlichen Vorgaben wie die „Global Player“ einhalten. Die daraus entstehenden Kosten der Regulatorik steigen von Jahr zu Jahr und belasten wesentlich das Ergebnis von Genossenschaftsbanken. Doch an Stelle Genossenschaftsbanken von diesem unnötigen Regulatorikballast zu entlasten, werden z.B. die Anforderungen an die Rentabilität auch im kommenden Jahr steigen, wie bereits heute bekannt ist. Es dürfte für die Genossenschaftsbanken, die in ihrer weit mehr als hundertjährigen Geschichte noch niemals auf staatliche Hilfe angewiesen waren, schwierig werden, auch diese neuen Vorgaben zu erfüllen. Oder wären sie ohne die Kosten der Regulatorik schon erreicht?