Ein Thema - Zwei Meinungen

Das Thema dieser Kolumne: Die Fusion RB Borken Nordhessen und VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden

Dazu schreibt Oliver Wagner-Pikkemaat: Ja und?

Eine OST-deutsche Volksbank übernimmt eine WEST-deutsche Raiffeisenbank.

Ja und?

31 Jahre sind vergangen, seitdem ich am 03. Oktober 1990 zusammen mit zigtausenden von Menschen vor dem Reichstag stand und der Politprominenz, wenn schon nicht eines "Neuen Deutschlands", so doch wenigstens einer deutlich gewachsenen Bundesrepublik, fleißig zuwinkte.

Willy Brandt hat es schon vor 31 Jahren auf den Punkt gebracht: "Es wächst zusammen, was zusammengehört." Zugegeben, ein klein bisschen schneller wäre dann doch ganz schön gewesen.

Arthur Schopenhauer stellte bereits vor über 150 Jahren fest, dass die Schwerfälligkeit der wahre Nationalcharakter der Deutschen sei. Allzu oft verhindert unsere schiere Massenträgheit, wichtige Weichenstellungen mit der gebotenen Schnelligkeit zu treffen. Zaudern und Zögern mag den Nervenschwachen gefallen, wirklich voran kommt man mit ihnen nicht.

Eine OST-deutsche Volksbank übernimmt eine WEST-deutsche Raiffeisenbank.

Ja und?

Leider noch nicht so ganz. Vor 31 Jahren hätte ich glatt behauptet, dass es keine 20 Jahre dauern wird, bis eine solche Meldung kein Ereignis mehr ist.

"Mit 17 hat man noch Träume." 1990 war ich zwar schon 18, doch dürfte das noch gelten. Drei Mal hatte ich zuvor die Gelegenheit gehabt, die DDR "live" zu erleben: Vor dem Mauerfall war ich zwei Mal in Ost-Berlin (gilt nicht, ich weiß) und habe dort mit elterlichem Geld die Bücherläden ausgeplündert. Zwangsumtausch sei Dank.

Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus lernte ich dann auf einer Klassenfahrt ein bisschen von Thüringen und Sachsen kennen: Ganz gleich ob in Greiz oder Dresden, die bröckelnden Fassaden konnten nirgendwo verbergen, dass hier allerorten ein schier unglaubliches Potenzial schlummerte. Es musste und muss nur gehoben werden. Leider ging dies in den kommenden Jahren nicht immer sauber über die Bühne.

Eine OST-deutsche Volksbank übernimmt eine WEST-deutsche Raiffeisenbank.

Ja und?

Wer heute mit offenen Augen durch die Region läuft, kann absolut keinen Grund dafür erkennen, warum dem nicht so sein sollte.

Eine Volksbank, die geschickt wirtschaftet und innovative Ideen hat kauft eine Volksbank, die sich schwertat mit den – fraglos äußerst schwierigen – Bedingungen der vergangenen Jahre klarzukommen. Nicht mehr und nicht weniger. Erfolg ist halt keine Frage der Geographie.

Es liegt an UNS – Ossi wie Wessi – daran zu arbeiten, dass es in Zukunft ganz selbstverständlich klingt, wenn es heißt:
Eine OST-deutsche Volksbank übernimmt eine WEST-deutsche Raiffeisenbank.
Ja und?

Dazu schreibt Andreas Trautvetter: Die Fusion der beiden Banken ist eine zukunftsweisende und nachhaltige Entscheidung für die beiden Regionen

Diese Fusion der beiden Banken hat natürlich nichts mit diesen Megafusionen aus dem Privatbankenbereich zu tun, die sich danach immer mit dem Schließen von Filialen und dem Verabschieden aus dem ländlichen Bereich ausgezeichnet haben. Die gemeinsame VR-Bank ist im Rahmen der Genossenschaftsbanken immer noch eine kleine Regionalbank, die im Ranking den Platz 210 unter allen Genossenschaftsbanken belegt.

Warum spricht man überhaupt von Übernahme: Weil die VR-Bank die größere der beiden Banken ist. Einige Veröffentlichungen sind für mich vollkommen unverständlich, vor allem, wenn in Finanzpublikationen vom Kapern die Rede ist.

31 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands sollte es doch ein normaler Vorgang sein, dass sich, wenn sich die wirtschaftlichen Unternehmensbedingungen in Ost und West unterschiedlich entwickeln, auch einmal ein leistungsstarker Partner aus dem Osten einen Partner im Westen sucht, der im Ergebnis einer Fusion zu ihm passt. Sinn hat dies nur, wenn beiden ehemaligen Banken in einem neuen Unternehmen eine gute wirtschaftliche Zukunft für ihre Mitglieder und Kunden gesichert wird.

Die VR-Bank und die RB Borken haben ihr Wirtschaftsgebiet im ländlichen Raum. Da liegt es nahe, dass man ähnliche Mitglieder- und Kundenstrukturen hat. Das wird sich bei dieser Fusion zuerst als Vorteil erweisen. Die stärkere Leistungsfähigkeit ist gut für alle.

Was natürlich die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden auszeichnet, ist, dass sie seit vielen Jahren neue Wege geht, die Leistungsfähigkeiten des Unternehmens mit neuen Geschäftsfeldern zu stärken. Es sind die Investitionen in Erneuerbare Energien, aber auch in die Versorgungsinfrastruktur im ländlichen Raum in Südthüringen, wie z. B. in Ärztehäuser. Mit diesem Weg hat sie auch die wirtschaftliche Basis geschaffen, die Bankstrukturen weitestgehend wohnortnah im ländlichen Bereich zu sichern, auch wenn nicht alle Wünsche bis in die kleinen Ortsteile erfüllt werden konnten.

Falls jetzt Enercon in der Nähe von Borken einen Windpark am Batzenberg entwickeln sollte, könnte man doch, falls es noch möglich ist, mit Investitionen in eine oder mehrere der Windenergieanlagen, die Wirtschaftlichkeit der gemeinsamen Bank weiter verbessern. Das wird garantiert in Nordhessen zum besseren Verständnis der Geschäftsstrategie der VR- Bank Bad Salzungen Schmalkalden beitragen.

Die gemeinsame VR-Bank hat eine gute Zukunft und wir werden sicher in fünf Jahren über einen wesentlich besseren Rankingplatz im Rahmen der Genossenschaftsbanken reden.